"Nur wer schon einmal geflogen ist, weiß warum Vögel singen" by djblue81 Modellbau aus dem Allgäu
last Update: 08.01.2025
Filamenttrocknung ein Hype oder doch Sinnvoll?
So genau kann man das gar nicht sagen. Es gibt Filamente die müssen/sollten vorher getrocknet werden. Und manche brauchen es nicht. Hartnäckig hält sich das Phänomen das alle Filamente vor den Drucken getrocknet werden müssen. Extrusionfehler, Fadenziehung, Bläschen sind oft die genannten Probleme, die mit Feuchtigkeit im Filament zusammen gebracht werden. Dazu gibts dann noch so ominöse Behälter mit einer Heizung darin oder es wird einfach der Backofen genommen....
Aber macht das für einfache Filamente überhaupt Sinn?
Alle Materialien, die mit 3D-Filamentdruckern gedruckt werden, sind Polymere. Diese Materialien neigen dazu, Feuchtigkeit aus ihrer Umgebung aufzunehmen. Einige mehr als andere...
Feuchtigkeit im Filament kann beim 3D-Druck Probleme verursachen, insbesondere bei hygroskopischen Materialien wie PA, TPU, oder ASA. Andere Materialien wie PLA, PET-G oder ABS können ebenfalls Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen, allerdings in sehr geringerem Maße. Sie werden nicht gleich feucht wenn sie mal einen Monat auf dem AMS stecken...
Eine Trockungstabelle hilft hier...
Trockungstabelle versch. Filamenten
Warmes Filament ist noch kein trockenes Filament
Die Trockenboxen sind meist keine Trockenboxen auch wenn sie so genannt werden. Warum?
Man packt die Spule in ein fast dichtes Gehäuse und erwärmt diese. Nach dem phyikalischen Prinzip kann warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte Luft, stimmt, aber was passiert weiter? Die Feuchtigkeit aus dem Material geht in die Luft der Kammer über, kann dann aber nicht weg und verbleibt im Gehäuse und so auch am Filament. Dann hängt man die erwärmte Spule auf den Drucker wo sie wie ein Schwamm die Luftfeuchtigkeit aus der Umgebung aufnimmt. Warmes Filament ist eher geneigt Feuchtigkeit aus der Umgebung aufzunehmen als kaltes Filament. Und das macht man immer wieder und immer wieder... Sinnvoll?
OK, die Hersteller wollen ja ihre Boxen verkaufen...
Manche legen auch die Filamentrollen in den Backofen. 80° bei einer Stunde.... muss ja schnell gehen... :)
Das einzige was man damit macht ist die Molekulare Struktur des Materials zu verändern und zu schädigen (Glasübergangstemperatur beachten etc).
80° sind für die meisten Materialien zu viel.
Einzig was man mit diesen einfachen Trocknern erreicht ist ein warmes feuchtes Material, aber kein Trockenes...
Klar, denkt sich jetzt der ein oder andere, dann mess ich halt mit einem Hygrometer die Feuchtigkeit in der Trockenbox, dann sehe ich ja ob es Trocken wird...
Aber was macht man mit der Aussage dann? Denn es ist ja nicht die Materialfeuchtigkeit die gemessen wurde sondern nur die Luftfeuchte in der Trockenbox. Klingt komisch ist aber so....
Wie richtig "trocknen"?
Zuerst sollte man verhindern das die Filamentrollen feucht werden.
Eine niedrige Raumluftfeuchtigkeit ist natürlich optimal.
Da hilft es schon diese an kühleren trockenen Plätzen aufzubewahren.
Wer diese Möglichkeit nicht hat, kann eine luftdichte Kunststoffbox nehmen und die Rollen mit Silica-Trockenmittel zusammen lagern.
Und wenn man sowas hat, haben auch unkritischere Filamente darin Platz...
Da unsere Filamente meist sehr langsam die Feuchtigkeit aufnehmen und auch meist sehr langsam wieder abgeben, spielt die Trockenzeit natürlich eine entsprechende Rolle.
Mal eben kurz in eine Trockner (nicht Filamentwärmer) bringt natürlich nix.
Industriell werden Polymere und Thermoplaste (wie es unsere Filamente sind) meist zwischen 4 und 8 Studen in richtigen Trocknern getrocknet. Diese arbeiten mit Entfeuchter (mit Salzen) für entfeuchtete Luft und natürlich auch Wärme. Hier wird speziell auf eine nötige Restfeuchte hin getrocknet, denn zu "trocken" ist ebenfalls schlecht und bringt weitere Fehler mit sich.
Zuhause mal zum Drucken eine Rolle für eine Stunde zuvor in einen Filamentwärmer zu geben ist wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Siehe Trocknungstabelle...
Zeit und Wärme allein trocknet aber auch nicht
Zeit und Wärme sind für die meisten Zuhause kein Problem. Aber die entfeuchtete Luft...
Kaum einer kann und wird sich eine richtige Trocknungsanlage für seine Filamente anschaffen. Aber mit bissl Verständnis zum Thema und Bastelei bekommt man ein ausreichend starkes Trockensystem für seine Materialien.
Also was kann man tun?
Es ist so einfach....
Stell die Trockenbox an einem kalten trockenen Ort, sorge für Frischluft von unten und für Abluft oben in der Trockenbox. Keine Lüfter oder so, ein Kamineffekt der warmen Luft reicht aus. Dazu, übertreibe nicht an Temperatur denn das schädigt das Material, und vorallem gib dem Filament Zeit zu trocknen. Die trockene kalte Luft erwärmt sich im Trockner und kann so die Feuchtigkeit besser aufnehmen (geringer Gesättigt) und nach aussen abtransportieren.
Oder sorge dafür das es erst nicht feucht wird...
FAZIT.... ich selber trockne garnicht...
Ich selber drucke seit mehreren Jahren 3D, privat wie beruflich, ohne Trocknen....
Klar, anfangs ist man auf den Hype reingefallen und hat alles Mögliche gemacht. Später hab ich nur noch richtig gelagert...
PETG. PLA, TPU, ABS muss bei richtiger Lagerung nicht aktiv getrocknet werden. Exotischere Materialien wie ASA, PA, PP sollten richtig getrocknet werden. Ich hätte beruflich die Möglichkeiten das dort verwendete Filament richtig zu trocknen mit zertifizierten Trocknungsanlagen, aber selbst hier ist es nicht nötig.
Die Ergebnisse sprechen dafür:
Weiß: PLA, Sunlu-Rolle 3 Monate alt, hängt seit Kauf auf dem AMS ohne irgendeine Beachtung.
Schwarz: TPU, ESun-Rolle ist ca. 3 Jahre alt, noch nie getrocknet, nur trocken gelagert.
Grün: PETG, 5€-China-Rolle bestimmt schon 4 Jahre alt, keine besonderere Lagerung.